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Die
Erfindung betrifft ein Formgedächtnispolymer,
das – neben
einer permanenten Form – mindestens zwei
temporäre
Formen speichern kann, ein Verfahren zu seiner Herstellung sowie
ein Verfahren zu seiner Formprogrammierung.
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Im
Stand der Technik sind so genannte Formgedächtnispolymere oder SMPs (shape
memory polymers) bekannt, die bei Induktion durch einen geeigneten
Stimulus einen Formübergang
von einer temporären Form
in eine permanente Form entsprechend einer vorherigen Programmierung
zeigen. Am häufigsten
ist dieser Formgedächtniseffekt
thermisch stimuliert, das heißt,
bei Erwärmung
des Polymermaterials über
die definierte Übergangstemperatur
findet die durch Entropieelastizität angetriebene Rückstellung
statt. Formgedächtnispolymere
sind in der Regel Polymernetzwerke, bei denen chemische (kovalente)
oder physikalische (nicht kovalente) Vernetzungsstellen die permanente
Form bestimmen. Die Programmierung erfolgt, indem oberhalb der Übergangstemperatur
eines Schaltsegmentes das Polymermaterial deformiert und anschließend unter
Aufrechterhaltung der Deformationskräfte unter diese Temperatur
abgekühlt
wird, um die temporäre Form
zu fixieren. Erneute Erwärmung
oberhalb der Übergangstemperatur
führt zu
einem Phasenübergang
und Wiederherstellung der ursprünglichen
permanenten Form.
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Darüber hinaus
sind in jüngerer
Zeit auch Polymernetzwerke beschrieben worden, die zwei Schaltsegmente
mit unterschiedlichen Übergangstemperaturen
aufweisen.
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So
beschreibt
EP 1 362
879 A Formgedächtnispolymere
(in diesem Fall interpenetrierende Netzwerke IPNs), die aus einer
kovalent vernetzten Polymerkomponente, insbesondere auf Basis von
Caprolacton-, Lactid-, Glycolid- oder p-Dioxanoneinheiten, und einer
nicht kovalent vernetzten Polyesterurethankomponente bestehen. Das
Polymer kann zwei temporäre
Formen speichern, wobei Übergangstemperaturen
um 50 und 90°C beschrieben
werden.
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Auch
aus Liu et al. (Macromol. Rap. Comm. 26, 2005, 649ff) ist ein SMP
(semi-interpenetrierendes Netzwerk SIPN) bekannt, bestehend aus
Polymethylmethacrylateinheiten (PMMA) und Polyethylenglycoleinheiten
(PEG), das ebenfalls zwei Übergangstemperaturen
(bei 40 und 86°C)
aufweist. Das dort beschriebene Programmierverfahren erlaubt jedoch
nur die Speicherung einer temporären
Form.
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Nachteilig
an den bekannten Formgedächtnispolymeren
ist für
einige Anwendungen, dass ihre Schalttemperaturen relativ dicht beieinander
liegen, was eine genaue Einstellung der Temperatur beim Erwärmen zwischen
beide Übergangstemperaturen
erfordert. Ferner können
die verhältnismäßig niedrigen Übergangstemperaturen
für bestimmte
Anwendungen problematisch sein, wenn nämlich anwendungsbedingt hohe
Temperaturen auftreten, ohne dass eine Wiederherstellung der permanenten
Form erwünscht
ist.
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Der
Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein neues biokompatibles
Formgedächtnispolymer bereitzustellen,
das zumindest zwei temporäre
Formen speichern kann. Die entsprechenden Schalttemperaturen des
Polymers sollen insbesondere einen großen Abstand zueinander haben
und wenigstens eine der Übergangstemperaturen
sollte auf einem relativ hohen Temperaturniveau liegen. Des Weiteren
soll ein Verfahren zur Programmierung von zumindest zwei temporären Formen
des Formgedächtnispolymers
zur Verfügung gestellt
werden.
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Diese
Aufgabe wird gelöst
durch ein Formgedächtnispolymer
mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Das erfindungsgemäße Formgedächtnispolymer
weist mindestens zwei Schaltsegmente mit unterschiedlichen Übergangstemperaturen
auf, so dass das Polymermaterial in Abhängigkeit von der Temperatur
neben einer permanenten Form mindestens zwei temporäre Formen
einnehmen kann. Das erfindungsgemäße Polymersystem umfasst ein
erstes Schaltsegment, das im Wesentlichen auf einem Polyester der
allgemeinen Formel I mit n = 1...6 oder einem Derivat von diesem
basiert oder auf einem Co-Polyester der allgemeinen Formel I mit
n = 1...6, worin mindestens zwei Estereinheiten mit unterschiedlichen
Kettenlängen
n vorhanden sind, oder einem Derivat von diesem.
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Das
Polymersystem umfasst ferner ein zweites Schaltsegment, das im Wesentlichen
auf einem Polyacrylat der allgemeinen Formel II basiert, worin R
gleich H oder CH3 ist und R1 einen
gesättigten
oder ungesättigten,
zyklischen oder aliphatischen, unsubstituierten oder substituierten
C1-C10-Rest bedeutet.
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Dabei
wird unter dem Begriff Schaltsegment ein Oligomer oder Polymer nach
den angegebenen Formeln I bzw. II verstanden, das eine Kettenlänge p bzw.
q aufweist, welche die Ausbildung einer eigenen Phase durch Phasenentmischung
im Festkörper
und damit die Grundlage zur Ausbildung der typischen Materialeigenschaften
der entsprechenden Verbindung gestattet. Auf diese Weise wird erreicht,
dass das Polymersystem als Ganzes Materialeigenschaften aufweist,
die den jeweiligen Schaltsegmenten zugeordnet werden können, insbesondere
zwei oder mehrere unterschiedliche Schalttemperaturen für den thermisch
induzierten Effekt, bei denen es sich unabhängig voneinander um Glasübergangs-
oder Schmelztemperaturen handeln kann. In struktureller Hinsicht
können
die Schaltsegmente kovalent oder nicht kovalent vernetzt vorliegen
und endständig,
einseitig oder beidseitig miteinander und/oder mit einem Polymerrückgrat verknüpft sein.
Des Weiteren umfassen im Rahmen der vorliegenden Erfindung Derivate
des Polyesters nach Formel I Strukturen, in denen einer oder mehrere
der Wasserstoffreste der Methyleneinheiten (-CH2-)
durch unverzweigte oder verzweigte, gesättigte oder ungesättigte C1-
bis C6-Reste ausgetauscht sind. Entscheidend bei der Auswahl der Substituenten
im angegebenen Rahmen ist, dass die Ausbildung einer eigenen Phase
der Schaltsegmente nicht verhindert wird.
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Durch
die erfindungsgemäße Zusammensetzung
wird ein Material zur Verfügung
gestellt, das nach entsprechender Programmierung in der Lage ist,
zumindest zwei Deformationen gleichzeitig zu fixieren, die nach
Aktivierung durch entsprechende thermische Stimuli wieder hergestellt
werden können.
Als eine besonders vorteilhafte Eigenschaft des erfindungsgemäßen Polymersystems
haben sich Schalttemperaturen herausgestellt, die einen großen Temperaturabstand
voneinander aufweisen. Insbesondere unterscheiden sich die beiden
Schalttemperaturen der Schaltsegmente nach Formel I und II um zumindest
40°K, insbesondere von
zumindest 50°K
und vorzugsweise von zumindest 60°K
voneinander. Ein weiterer Vorteil des erfindungsgemäßen Materials
stellt die hohe Schalttemperatur des Poly(meth)acrylatsegments dar,
die insbesondere abhängig
von dem Rest R1 und der mittleren Kettenlänge q bei
zumindest 110°C,
insbesondere zumindest 120°C liegt.
Ein weiterer Vor teil besteht darin, dass beide Polymersegmente physiologisch
resorbierbar und ihre Abbauprodukte physiologisch kompatibel sind.
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In
bevorzugter Ausgestaltung der Erfindung umfasst das erste Schaltsegment
ein Poly(ε-caprolacton)-Segment
mit n = 5 oder ein Derivat von diesem, in dem die aliphatischen
Kohlenstoffatome unabhängig voneinander
mit einem oder zwei, unverzweigten oder verzweigten, gesättigten
oder ungesättigten
C1- bis C6-Resten substituiert sein können. Besonders bevorzugt ist
jedoch nicht derivatisiertes Poly(ε-caprolacton) mit n = 5 nach
Formel I, das heißt
ohne Substituenten.
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In
weiterer vorteilhafter Ausgestaltung der Erfindung umfasst das zweite
Schaltsegment ein Poly(cyclohexylmethacrylat)-Segment mit R = CH3 und R1 = C6H11 (Cyclohexyl)
oder ein Poly(cyclohexylacrylat)-Segment mit R = H und R1 = C6H11 nach
Formel II. Besonders bevorzugt von diesen ist Poly(cyclohexylmethacrylat).
Weitere vorteilhafte, unter Formel II fallende Schaltsegmente sind
Poly(methylmethacrylat) (PMMA) und Poly(2-hydroxyethylmethacrylat)
(PHEMA).
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Die
Molekulargewichte der Segmente sowie ihre Massenanteile im Polymer
und ihre relativen Massenverhältnisse
(erstes Schaltsegment: zweites Schaltsegment) sind so abgestimmt,
dass die oben beschriebenen Kriterien für die Schalttemperaturen eingehalten
werden und deutliche Formveränderungen
bei den zumindest zwei Schaltübergängen erzielt
werden. Mit Vorteil weist das erste Schaltsegment (Polyester) ein
mittleres Molekulargewicht im Bereich von 2.000 bis 100.000 g/mol,
insbesondere von 5.000 bis 40.000 g/mol, vorzugsweise von etwa 10.000
g/mol auf. Vorzugsweise liegt ein Massenanteil des Polyestersegments
im Formgedächtnispolymer
im Bereich von 25 bis 75 %, insbesondere im Bereich von 30 bis 70
%, vorzugsweise im Bereich von 50 bis 60 %. Entsprechend weist das
Polyacrylatsegment einen Massenanteil im Bereich von 75 bis 25 %,
insbesondere im Bereich von 70 bis 30 %, bevorzugt 50 bis 40 % auf.
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Bei
dem erfindungsgemäßen Polymersystem
kann es sich um ein Polymernetzwerk handeln, in dem die die Schaltsegmente
aufweisenden Polymerketten miteinander vernetzt vorliegen, oder
um ein interpenetrierendes Netzwerk (IPN) oder ein semi-interpenetrierendes
Netzwerk (SIPN). Vorzugsweise liegt es als ein AB-Polymernetzwerk
vor, in dem eines der Schaltsegmente durch das andere, beidseitig
endständig
gebundene Schaltsegment vernetzt vorliegt. Insbesondere besteht
das Formgedächtnispolymer
aus Polyacrylatsegmenten, die durch die Polyesterketten vernetzt
sind. Letztere sind dabei mit ihren beiden Enden an die Polyacrylatsegmente
kovalent gebunden. Allerdings ist auch die inverse Konstellation
denkbar, in der Polyacrylatsegmente beidseitig die Polyestersegmente
vernetzen.
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Das
erfindungsgemäße Formgedächtnispolymer
kann vorteilhaft durch ein Verfahren hergestellt werden, indem
- – ein
Polyester-Makromonomer der allgemeinen Formel I a, worin n = 1...6
und Y ein beliebiger verbindender Rest ist, oder einem Co-Polyester
der allgemeinen Formel I a (worin n und Y die obige Bedeutung haben)
mit mindestens zwei Estereinheiten mit unterschiedlichen n oder
einem Derivat von diesen und
- – ein
Acrylatmonomer der allgemeinen Formel II a, worin R gleich H oder
CH3 ist und R1 einen
gesättigten oder
ungesättigten,
zyklischen oder aliphatischen, unsubstituierten oder substituierten
C1-C10-Rest bedeutet miteinander copolymerisiert
werden. Bevorzugte Ausgestaltungen des Polyesters und des Acrylatmonomers
werden entsprechend der vorstehenden Beschreibung gewählt. Dabei
können
in Formel I a p1 und p2, das heißt die Kettenlängen der
Polyester bzw. Co-Polyester, gleich oder ungleich sein. Der Rest
Y dient ausschließlich
der Verbindung der beiden Polyestereinheiten unter Umkehrung der
Kettenrichtung, so dass beidseitig polymerisationsfähige Endgruppen
angefügt
werden können,
die der Vernetzung dienen (s.u.).
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Ein
geeignetes Makromonomer der Polyesterkomponente entspricht beispielsweise
der allgemeinen Formel I b mit r = 2...8 und X = O oder NH. Besonders
bevorzugt ist eine Komponente mit r = 2, p3 = 2 und X = O, das heißt, das
Polyester-Makromonomer wird durch Polymerisation von Diethylenglycol HO-CH2-CH2-O-CH2-CH2-OH mit den
entsprechenden Estermonomeren erhalten.
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Bevorzugt
sind die erste Endgruppe R2 und/oder die
zweite Endgruppe R3 des ersten Schaltsegments unabhängig voneinander
ein polymerisierbarer Rest. Vorzugsweise sind sowohl R2 als
auch R3 jeweils ein polymerisierbarer Rest.
Besonders bevorzugt werden für
R2 und/oder R3 Acryl-
oder Methacrylreste eingesetzt, insbesondere jeweils ein Methacrylrest.
Auf diese Weise erhält
man bei der Copolymerisation beider Komponenten ein Netzwerk, in
dem die Polyestersegmente beidseitig verknüpft sind.
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Nach
einer besonders bevorzugten Ausführung
wird als Acrylatkomponente Cyclohexylmethacylat nach Formel II b
eingesetzt, die bei ihrer (Homo)Polymerisation zu Poly(cyclohexylmethacrylat)-Segmenten nach
Formel II c führt.
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In
einer besonders bevorzugten Ausgestaltung wird somit das Makromonomer
Poly(ε-caprolacton)-dimethacrylat
(PCLDMA) nach Formel I c mit dem Monomer Cyclohexylmethacylat (CHMA)
nach Formel II b copolymerisiert. Hierdurch entsteht ein vernetztes
AB-Blockcopolymer, das Segmente nach Formel I c und Segmente nach
Formel II c enthält.
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Ein
weiterer wichtiger Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zur
Programmierung von mindestens zwei temporären Formen bei einem Formgedächtnispolymer
gemäß der Erfindung.
Das erfindungsgemäße Verfahren
umfasst die Schritte
- (a) Überführung des Formgedächtnispolymers
in eine der ersten temporären
Form entsprechende Form bei einer Temperatur oberhalb der oberen Übergangstemperatur,
- (b) Abkühlung
auf eine Temperatur unterhalb der oberen Übergangstemperatur unter Fixierung
der ersten temporären
Form,
- (c) Überführung des
Formgedächtnispolymers
in eine der zweiten temporären
Form entsprechende Form bei einer Temperatur oberhalb der unteren Übergangstemperatur
und unterhalb der oberen Übergangstemperatur
und
- (d) Abkühlung
auf eine Temperatur unterhalb der unteren Übergangstemperatur unter Fixierung
der zweiten temporären
Form.
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Dabei
kann die in Schritt (b) erfolgende Abkühlung wahlweise auf eine Zwischentemperatur
unterhalb der oberen Übergangstemperatur
und oberhalb der unteren Übergangstemperatur
abgekühlt
werden oder aber auf eine Temperatur unterhalb der unteren Übergangstemperatur.
Entscheidend für
die Fixierung der ersten temporären
Form ist, dass unterhalb der oberen Übergangstemperatur abgekühlt wird.
Handelt es sich bei dem Formgedächtnispolymer
um eines, das mehr als zwei temporäre Formen speichern kann, das
heißt
zumindest drei Schaltsegmente aufweist, werden die weiteren temporären Formen
in analoger Weise programmiert, indem jeweils oberhalb der entsprechenden Übergangstemperatur
eine Deformationskraft ausgeübt wird
und die temporäre
Form durch Kühlung
unterhalb dieser Übergangstemperatur
unter Beibehaltung der Deformationskraft fixiert wird.
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Das
erfindungsgemäße Formgedächtnispolymer
eignet sich besonders vorteilhaft für Anwendungen in der Konstruktionstechnik,
beispielsweise als Befestigungselemente, die nach Ausüben eines
entsprechenden Temperaturstimulus in eine Verankerungsform überführt werden
können.
Insbesondere ist das erfindungsgemäße Polymer in Bereichen vorteilhaft,
in denen prozessbedingt relativ hohe Temperaturen auftreten, ohne dass
die Wiederherstellung der permanenten Form des Polymers erwünscht ist.
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Weitere
bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den übrigen,
in den Unteransprüchen
genannten Merkmalen.
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Die
Erfindung wird nachfolgend in Ausführungsbeispielen anhand der
zugehörigen
Zeichnungen erläutert.
Es zeigen:
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1 Struktur
eines erfindungsgemäßen AB-Polymernetzwerkes,
erhalten durch Copolymerisation von PCLDMA-Makromonomer und CHMA-Monomer,
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2 DMTA-Untersuchungen
der Phasenübergänge von
PCL-PCHMA-Netzwerken,
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3 strukturelle
Veränderungen
eines AB-Polymernetzwerkes während
seiner Programmierung gemäß 1,
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4 zeitliche
Verläufe
verschiedener Programmierungsparameter in einem zyklischen, thermomechanischen
Experiment und
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5 Formgedächtnispolymer
gemäß der Erfindung
in einem Anwendungsbeispiel.
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1. Synthese von Poly(ε-caprolacton)dimethacrylat
PCL10kDMA
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500
g (50 mmol) Poly(ε-caprolacton)diol
(Aldrich) mit einem mittleren Molekulargewicht von 10 000 g/mol
(PCL10k-diol) wurden in 5 l Dichlormethan in einem trockenen 3-Halskolben
unter Stickstoffatmosphäre vorgelegt.
Unter Eiskühlung
wurden 20,0 ml (0,14 mol) Triethylamin tropfenweise zugegeben. Nach
10 min Rühren
bei 0°C
wurden 17,4 ml (0,18 mol) Methacryloylchlorid tropfenweise zugegeben.
Die Lösung
wurde auf RT erwärmt
und für
weitere 24 h gerührt.
Das ausgefallene Salz wurde durch Filtration entfernt. Das Filtrat
wurde aufkonzentriert und in Ethylacetat gelöst. Diese Lösung wurde in einem 10fachen Überschuss
einer Mischung aus Hexan/Diethylether/Methanol (18:1:1 Volumenanteile)
bei –20°C ausgefällt. Nach
Vakuumtrocknung wurden 475 g (47 mmol) Poly(ε-caprolacton)dimethacrylat PCLDMA
mit einem mittleren Molekulargewicht von 10 kD (PCL10kDMA) nach
der Formel I c (s.o.) erhalten (Ausbeute 95 %). Der Funktionalisierungsgrad
der PCL-diole mit Methacrylatendgruppen wurde mit 1H-NMR-Spektroskopie
auf ca. 85 % bestimmt. Dies bedeutet, dass 72 % der Makromonomere
beidseitig funktionalisiert wurden (Dimethacrylat), 26 % einseitig funktionalisiert
wurden (Monomethacrylat) und 2 % nicht funktionalisiert als Diol
vorlagen.
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2. Copolymerisation
von PCLDMA und CHMA
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PCL10kDMA
hergestellt nach Beispiel 1 und Cyclohexylmethacrylat (CHMA) (Reinheit ≥ 97 %, Aldrich)
gemäß Formel
II b (s.o.) wurden in verschiedenen Mischungsverhältnissen
im Bereich von 10 bis 80 Gew.-% PCL10kDMA gemäß Tabelle 1 eingewogen. Diese
Mischungen aus PCL10kDMA und CHMA wurden bei 70°C in Kolben in einem Ölbad geschmolzen.
Nach Vorliegen einer blasenfreien homogenen Schmelze wurden die
Mischun gen auf eine Glasplatte (10 × 10 cm) ausgegossen und die
Form durch eine aufgelegte weitere Glasplatte unter seitlicher Anordnung
von PTFE-Abstandhaltern (Dicke 0,55 cm) geschlossen. Das durch Klammern
fixierte Gebilde wurde für
60 min UV-bestrahlt (Fe-dotierte Quecksilberdampflampe), um die Polymerisation/Vernetzung
auszulösen.
Als Vergleichsmaterial wurde reines PCL10kDMA entsprechend behandelt,
um ein Homopolymernetzwerk aus PCL10kDMA zu erhalten (PCL(100) in
Tabelle 1). Tabelle
1
- # Die in den Klammern
angegebenen Zahlen bezeichnen den Massenanteil an PCL10kDMA im Polymernetzwerk.
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Obwohl
die eingesetzten Mengen von PCL10kDMA und CHMA nicht quantitativ
in das Netzwerk inkorporiert wurden, konnte durch 1H-HRMAS-NMR-spektroskopische
Untersuchungen ermittelt werden, dass das eingesetzte Verhältnis der
beiden Komponenten im Polymernetzwerk annähernd erhalten bleibt. Zuvor wurden
nicht inkorporierte Bestandteile durch Extraktion mit Chloroform
entfernt.
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1 zeigt
schematisch die Struktur eines so erhaltenen insgesamt mit 10 bezeichneten
PCL-PCHMA-Polymernetzwerkes. Hierin sind mit 12 die Poly(cyclohexylmethacrylat)-Segmente ((PCHMA)-Segmente) und
die PCL10kDMA-Ketten mit 14 bezeichnet. Die PCHMA-Segmente 12 sind
durch die beidseitig gebundenen PCL10kDMA-Ketten 14 kovalent
vernetzt. Die Verknüpfungspunkte
zwischen den Enden der PCHMA-Segmente 12 und den PCL10kDMA-Segmenten 14 sind
mit 16 bezeichnet.
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3. Charakterisierung
der Polymernetzwerke aus PCLDMA und PCHMA
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Die
thermischen Eigenschaften der laut Beispiel 2 hergestellten Polymernetzwerke
aus PCL10kDMA-Makromonomeren und CHMA-Monomeren unterschiedlicher
Zusammensetzung wurden nach Extraktion mit Chloroform mit Dynamischer
Differenz-Kalorimetrie (DSC) und mit dynamisch-mechanischer Thermoanalyse
(DMTA) untersucht. DSC-Messungen wurden auf einem Netzsch DSC 204
Phoenix-Gerät durchgeführt. Dafür wurden
5 bis 10 mg der Proben in einem Aluminium-Gefäß eingewogen und die Messungen
unter Stickstoffatmosphäre
in einem Temperaturbereich von –100
bis +150°C
durchgeführt,
wobei zur Erfassung von Glasübergängen eine
Abkühl-
und Heizrate von 10 K·min
–1 eingesetzt
wurde und von 1 K·min
–1 zur
Erfassung von Schmelz- bzw. Kristallisationsübergängen. Die Ergebnisse sind in
Tabelle 2 zusammengefasst. DMTA-Messungen wurden auf einem Eplexor
5 N (Gabo) ausgeführt,
welches mit einem 25 N-Kraftaufnehmer ausgestattet war. Die statische
Last betrug 0,50%, die dynamische Last 0,20%, die Frequenz 10 Hz und
die Heizrate 2 K·min
–1 in
einem Temperaturbereich von –100
bis +170°C.
Die Ergebnisse sind ebenfalls in Tabelle 2 zusammengefasst. Tabelle
2
- # Die in den Klammern angegebenen Zahlen
bezeichnen den Massenanteil an PCL10kDMA im Polymernetzwerk. n.b.:
nicht bestimmbar
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Ebenso
wie für
das PCHMA-Homopolymer (Ergebnisse nicht dargestellt) konnten für die Polymernetzwerke
mit den relativ unempfindlichen DSC-Messungen kein Glasübergang
der PCHMA-Segmente beobachtet werden. Diese wurden durch die DMTA-Untersuchungen
nachgewiesen. 2 zeigt für das Polymernetzwerk PCL(35)CHMA
den mit DMTA im Aufheizzyklus (↑)
sowie im Abkühlzyklus
(↓) gemessenen
Verlauf des Speichermoduls E' sowie
des mechanischen Verlustfaktors tan δ. Hieraus wurde die Glasübergangstemperatur
von PCL (Tg(PCL)) aus dem Maximum des Verlustmoduls
E'', die Schmelzübergangstemperatur
von PCL (Tm(PCL)) aus dem Wendepunkt von
E' und die Glasübergangstemperatur
von PCHMA (Tg(PCHMA)) aus dem Maximum von
tan δ bestimmt.
Ab einem PCL-Massenanteil von 50 % konnte der Glasübergang
von PCHMA aufgrund des geringen Signal-Rausch-Verhältnisses
nicht mehr bestimmt werden.
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Es
ist ersichtlich, dass das erfindungsgemäße, PCL- und PCHMA-Segmente
enthaltende AB-Polymernetzwerk im Bereich zwischen 0 und 150°C zwei gut
differenzierte Phasenübergänge aufweist,
die sich auf das Schmelzen von PCL-Kristalliten einerseits und den
Glasübergang
von PCHMA-Domänen
zurückführen lassen.
Dabei ist die untere Übergangstemperatur
Ttrans,1 eindeutig mit dem Schmelzen bzw.
der Kristallisation von PCL-Segmenten assoziiert, das bei dem Homopolymer
PCL(100) bei 54°C
beobachtet wird und in den Copolymernetzwerken mit einem PCL-Massenanteil
zwischen 10 und 80% bei 48 bei 52°C
liegt (Tm (PCL)). Die mit DMTA detektierte
obere Übergangstemperatur
Ttrans,2 bei 140 bis 142°C kann hingegen eindeutig dem Glasübergang
von PCHMA-Segmenten zugeordnet werden (Tg(PCHMA)).
Diese Ergebnisse zeigen, dass das erfindungsgemäße AB-Polymernetzwerk eine
phasenseparierte Morphologie aufweist, in welcher die PCL- und PCHMA-Segmente
eigene Phasen mit eigenen Übergangstemperaturen
ausbilden, die zur temperaturgesteuerten Fixierung zweier temporären Formen
geeignet sind. Da die mit DMTA ermittelten Werte für Tg von PCL und PCHMA im Polymernetzwerk sich
nicht wesentlich von den entsprechenden Homopolymeren unterscheiden,
kann die Existenz von amorphen Mischphasen ausgeschlossen werden.
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4. Programmierung
eines Polymernetzwerkes aus PCLDMA und PCHMA
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Ein
AB-Polymernetzwerk PCL(45)CHMA hergestellt nach Beispiel 2 basierend
auf 45 Gew.-% PCL10kDMA und 55 Gew.-% PCHMA wurde in einem zyklischen
thermomechanischen Experiment derart programmiert, dass neben der
herstellungsbedingten perma nenten Form zwei temporäre Formen
in dem "Formgedächtnis" des Polymers gespeichert
wurden. Dies erfolgt prinzipiell durch Fixierung einer ersten temporären Form
bei einer Temperatur unterhalb der Glasübergangstemperatur von PCHMA
(Tg(PCHMA)) oder einer Temperatur unterhalb
der Schmelztemperatur von PCL (Tm(PCL))
und anschließendem
Fixieren einer zweiten temporären
Form bei einer Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur von PCL
(Tm(PCL)).
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Dieses
Prinzip ist anhand von 3 erläutert, wobei analoge Bezugszeichen
wie in 1 verwendet werden. Dabei zeigt 3A die
Struktur des Polymernetzwerkes 10 oberhalb der oberen Übergangstemperatur,
das heißt
oberhalb der Glasübergangstemperatur
Tg(PCHMA) der PCHMA-Segmente. Bei dieser
Temperatur liegen die PCL-Segmente 14 im amorphen Zustand
vor, was durch das Bezugszeichen 14' gekennzeichnet ist. Die PCHMA-Segmente 12 liegen
im amorphen, elastischen Zustand vor, was durch 12' gekennzeichnet ist.
Das Polymer 10 weist in dieser Startphase des Programmierverfahrens
zunächst
noch seine permanente Form PF auf, die durch den Herstellungsprozess
bedingt ist, insbesondere durch eine während der Vernetzung vorgegebene äußere Form.
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Ausgehend
von der in 3A gezeigten Form wird
in einem ersten Schritt das Polymernetzwerk 10 in eine
Form gebracht, welche einer ersten temporären Form TF1 entspricht. Dies
erfolgt durch Ausübung
einer geeigneten mechanischen Belastung oberhalb von Tg(PCHMA),
die beispielweise zu einer Elongation des Polymers 10 führt. Dies
ist in 3B durch eine horizontale Dehnung
des dargestellten Polymerausschnitts angedeutet. Nach der Elongation
wird das Polymersystem 10 auf eine Temperatur abgekühlt, die
in jedem Fall unterhalb der Glasübergangstemperatur
Tg(PCHMA) liegt, insbesondere zwischen Tm(PCL) und Tg(PCHMA). Die
Abkühlung
führt zu
einem Glasübergang
der PCHMA-Segmente 12, die von ihrem amorphen, elastischen Zustand 12' in einen amorphen,
glasigen Zustand 12'' übergehen.
Die erste temporäre
Form TF1 kann optional durch Tempern bei der T < Tg(PCHMA)
für eine
vorbestimmte Dauer stabilisiert werden. Die mechanische Belastung
wird währenddessen
aufrechterhalten.
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Im
nächsten
Schritt erfolgt die Programmierung der zweiten temporären Form
TF2 analog zur ersten temporären
Form TF1. Insbesondere wird durch einen zweiten mechanischen Stimulus
das Polymer 10 in die zweite temporäre Form TF2 überführt, was
beispielsweise durch eine weitere Dehnung bei einer Temperatur oberhalb
von Tm(PCL) erfolgen kann (in 3C wiederum durch eine horizontale Dehnung
des Polymerausschnitts angedeutet).
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Anschließend wird
auf eine Temperatur unterhalb der unteren Übergangstemperatur, das heißt der Schmelztemperatur
Tm(PCL) der PCL-Segmente 14 abgekühlt, um
auch die zweite temporäre
Form TF2 zu fixieren. Dabei kommt es zur Ausbildung von semikristallinen
PCL-Segmenten 14''. Unter Aufrechterhaltung der
mechanischen Belastung kann auch in dieser Stufe das Polymernetzwerk 10 noch
für eine
gewisse Zeit getempert werden, wodurch auch die Bildung von PCL-Kristalliten
gefördert
wird.
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Ausgehend
von einem auf diese Weise programmierten Polymernetzwerk 10,
das in seiner zweiten temporären
Form TF2 vorliegt, können
die erste temporäre
Form TP1 und die permanente Form PF nacheinander abgerufen werden,
wenn das Polymer 10 erst auf eine Zwischentemperatur Tm(PCL) < T < Tg(PCHMA) und
anschließend
auf eine Temperatur oberhalb von Tg(PCHMA)
erwärmt
wird. Das Wiederherstellen zuvor fixierter Formen wird als Formgedächtnis-
oder Shape-Memory-Effekt (SM-Effekt) bezeichnet.
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4 stellt
die Verläufe
der Temperatur sowie der Dehnung während eines Programmierungszyklus und
Wiederherstellungszyklus des Polymers PCL(35)CHMA dar.
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Der
Programmierungszyklus startet bei einer Temperatur Th,1 von
150°C oberhalb
Tg(PCHMA). Es erfolgt eine Dehnung des Polymers
auf 50% (εm,1) entsprechend der ersten temporären Form
TF1. Anschließend wird
unter Aufrechterhaltung der mechanischen Last mit einem Temperaturgradienten
von 5 K·min–1 auf
eine Zwischentemperatur von 70°C
(Th,2) unterhalb Tg(PCHMA)
und oberhalb Tm(PCL) abgekühlt, wobei
sich die Probe aufgrund ihrer Entropieelastizität zunächst etwas ausdehnt und dann
aufgrund ihrer Energieelastizität kontrahiert.
Nach einer Haltezeit von 30 min bei 70°C wird das Polymer entlastet,
wobei ein leichter Rückgang der
Dehnung beobachtet wird. Anschließend wird die Probe noch für 10 min
ohne mechanische Last bei Th,2 gehalten,
um sie dann auf 100 % Gesamtausdehnung entsprechend der zweiten
temporären
Form TF2 zu dehnen (εm,2). Dann wird unter konstanter mechanischer
Last auf –10°C (Tl) abgekühlt
und für
weitere 20 min die mechanische Last aufrechterhalten, um die Kristallisation
der PCL-Domänen
zu erlauben. Die nachfolgende Entspannung der Probe und das Halten
der Temperatur bei –10°C für weitere
10 min führt
zu einer leichten Abnahme der Dehnung.
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Nach
Beendigung des Programmierungszyklus erfolgt nacheinander der Abruf
der gespeicherten Formen, indem (ohne mechanische Last) mit einer
Aufheizrate von 1 K·min–1 die
Probe von –10
auf +150°C
wieder erwärmt
wird. Dabei wird zunächst
das Aufschmelzen der PCL-Kristallite und die Wiederherstellung der
ersten temporären
Form um Tm(PCL) beobachtet. Wird die Temperatur
für 48
h bei 70°C
gehalten, bleibt die erste temporäre Form stabil und es erfolgt
kein Übergang
in die permanente Form (nicht dargestellt). Die weitere Aufheizung
oberhalb Tg(PCHMA) führt zum Erweichen der glasigen
PCHMA-Domänen
und zur nahezu quantitativen Wiederherstellung der permanenten Form.
Dieser Programmierungs- und Wiederherstellungszyklus wurde weitere
vier Mal mit dem gleichen Ergebnis durchgeführt.
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Der
in 4 dargestellte Programmier- und Wiederherstellungszyklus
wurde mit sämtlichen
AB-Copolymernetzwerken aus Beispiel 2 durchgeführt. Aus den 2. bis 5. Zyklen
wurden die Schalttemperaturen für die
PCL- und PCHMA-Segmente ermittelt und gemittelt. Für die Polymernetzwerke
PCL(30)CHMA bis PCL(60)CHMA wurde eine Schalttemperatur der PCL-Segmente
von 53 bis 65°C
ermittelt und eine Schalttemperatur der PCHMA-Segmente von 120 bis
125°C.
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Ein
Demonstrationsbeispiel für
eine praktische Anwendung eines programmierten erfindungsgemäßen Polymernetzwerkes
PCL(40)CHMA entsprechend Beispiel 2 ist in 5 dargestellt.
Dabei ist im oberen Teil der Abbildung die zweite temporäre Form
TF2 des Polymers bei Raumtemperatur gezeigt, welche einer Spiralform
entspricht. Unter Erwärmung
des Polymersystems auf eine Temperatur von 70°C erfolgt eine Kontraktion der
Spirale von zunächst
etwa 4 cm auf etwa 2,5 cm, wobei der Spiraldurchmesser zunimmt (5, mittlerer
Teil). Diese Form entspricht der ersten temporären Form TF1. Bei weiterer
Erwärmung
des Polymersystems auf 150°C
kommt es zu einem vollständigen
Aufbiegen des Polymers unter Verlust der Spiralform. Stattdessen
nimmt das Polymersystem seine stäbchenförmige, permanente
Form PF an (5, unterer Teil).
-
- PF
- permanente
Form
- TF1
- erste
temporäre
Form
- TF2
- zweite
temporäre
Form
- Trans,1
- erste Übergangstemperatur
- Ttrans,2
- zweite Übergangstemperatur
- Tm(PCL)
- Schmelztemperatur
der PCL-Segmente
- Tg(PCHMA)
- Glasübergangstemperatur
der PCHMA-Segmente
- 10
- Polymernetzwerk
- 12
- PCHMA-Segmente
- 12'
- amorph-elastische
PCHMA-Segmente
- 12''
- amorph-glasige
PCHMA-Segmente
- 14
- PCL-Segmente
- 14'
- amorphe
PCL-Ketten
- 14''
- semikristalline
PCL-Ketten
- 16
- Verknüpfungspunkte